Waltraud Zechmeister: Panghea (Text)

In hohem Bogen schleudert sie die nächste blau-schillernde Kugel weit von sich. Diese explodiert mit lautem Knall in einer rot-goldenen Stichflamme, die alles in einem Umkreis von Hunderten von Metern ins Verderben stürzt – Menschen, Wohntürme, Geschäftslokale, U-Bahn-Tunnel, Autos, Maschinen und PCs, vor allem PCs, diese menschlichen Ersatzgehirne, die schuld sind an alle diesem Übel – der Umweltverschmutzung, den Börsen-crashs und dem virtuellen Glücksspiel, genannt Investmentfonds und Aktienkurse.

Befreit atmet sie auf, als sie den verheerenden Brand ins Auge fasst, der von einer so winzigen Kugel hervorgerufen worden ist. Und schon geht sie weiter hoch erhobenen Hauptes mit weit ausgreifenden Schritten, die nächste blau-schillernde Kugel in der Hand: sie holt weit aus und schleudert auch diese tief hinein in das Herz von Hochfinanz, Ökonomie und Staatsgeschäften. Und weiter führt sie ihr Weg in die Randbezirke der ausufernden Stadt, weiter, immer weiter. Mit Riesenschritten durchquert sie alle sieben Kontinente, eine schwarze Spur des Verderbens hinter sich ziehend.

Und als sie die letzte ihrer Kugeln auf die letzte Hochburg menschlicher Hybris geschleudert hat und mit Erleichterung feststellen kann, dass nichts, aber auch gar nichts mehr darauf hindeutet, dass diese hochfahrende Spezies – genannt Mensch – jemals diesen Planeten bevölkert und ausgebeutet hat, setzt sie sich hochzufrieden auf die von Vernichtung dampfende Erde und lehnt sich an die verkohlten Reste einer ehemals ach so stolzen Betonhochburg.

Beglückt lässt sie ihren Blick über den von ihr herbeigeführten Untergang schweifen, erschöpft und zugleich zufrieden schließt sie die Augen. Und als sie sich nach dieser kurzen, schöpferischen Pause gerade erheben will, fällt ihr Blick auf eine kleine, unscheinbare Pflanze, sie beugt sich hinab um diese genauer zu betrachten – ein paar Maiglöckchen haben dieses Inferno überlebt, aber auch nicht ganz unbeschadet, denn ihre sonst so makellos weiße Blütenpracht ist übersät mit Kotspritzern und Ascheresten. Liebevoll streicht sie über Dolden und Blätter und ein feines Lächeln huscht über ihr Gesicht, bevor sie sich zurücklehnt und ganz mit der sie umgebenden Erde verschmilzt.

 

Aus der Sammlung „Venuskristalle“, erschienen 2016 im Avorell Verlag -ISBN 0783903156005.
Zu beziehen über: waltraud.zechmeister@hotmail.com

Homepage: waltraud.zechmeister@hotmail.com

Waltraud Zechmeister KURVE Artnetworking

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Zum Beitragsbild ein Statement von Waltraud Zechmeister:

Der Text Panghea wurde ursprünglich für die Anthologie „Karierte Maiglöckchen“ zum 7. ALFA- Multi Media-Wettbewerb verfasst und hzeißt daher auch „Karierte Maiglöckchen“, das Muster, das „sie“ auf den Maiglöckchen am Ende fand, war kariert,und dazu entstqand auch das obige Bild – eine Fotografik.

Darunter verstehe ich die Verfremdung von monochrom gestellten Fotografien durch grafische Elemente und das Einfügen von handschriftlichen, von mir verfassten Texten. Dieser Vorgang erstreckt sich über mehrere Stufen, wobei die Fotos im Adobe Lightroom bearbeitet und monochrom gestellt werden. Im Anschluss daran werden sie ausgedruckt und ich lasse das Bild zunächst auf mich wirken und gebe dann dem ersten Impuls nach es zu verfremden. Bei diesen Bildbearbeitungen sind der Zufall und die Spontanität wichtige Gestaltungsfaktoren. Assoziativ setze ich die Striche und füge die Worte eines meiner Texte ein, die Wahl des Stiftes erfolgt dabei impulsiv aus den folgenden Möglichkeiten: weißer Korrekturlack – aufgetragen mit Pinsel, Schwämmchen oder Stift -, weiße Paintmarker von unterschiedlicher Stichstärke, schwarze Fineliner oder schwarze Eddings von unterschiedlicher Strichstärke.

Im weiteren Vorgang werden die dabei entstandenen Fotografiken wieder abfotografiert und im Lightroom nachbearbeitet und gegebenenfalls wird der Vorgang des Ausdruckens und grafischen Bearbeitens nochmals wiederholt. Daraus entstehen dann sehr verdichtete Bilder, die eine Interpretation in mehrere Richtungen herausfordern.

Bei diesem speziellen Bild ist dann noch auf dem Glas des Rahmens mit Edding noch ein zusätzliches Karo angebracht. Den Preis habe ich nciht bekommen, aber in die Anthologie schafften es Bild und Text.