Stefan Malicky: Erinnerung? Welche Erinnerung? (Text)

Mein Ansatz ist es nicht eine kreative Lösung für die Probleme zu liefern die durch das zerstören von Denkmählern entstehen. Es werden und wurden in der Vergangenheit Denkmähler von Antisemiten, Kolonialherren, Unterdrückern und deren Zerstörung problematisiert. Die Befangenheit ist in diesen Belangen groß. Wenn eine afrikanische Community ein Denkmal stürzen will, soll sie es auch machen können. Es ist kein Aufbäumen gegen die Tatsache der Geschichte und gegen die Erinnerung an sie, kein verschließen der Augen vor der Geschichte. Es geschieht genauer gesagt aus einem Geschichtsbewusstsein heraus, es sind ja keine Blidungs-Verweigerer, diejenigen die die Statuen von ihren Sockeln stürzen. Die wissen sehr wohl was sie da tun. Die habe die Bedeutung dieser Geschichte verstanden. Es ist ein feiner Trennstrich zu ziehen zwischen der Solidarität mit den Produzenten und Produzentinnen der Statuen gegenüber den Politischen, Kirchlichen und Kommunalen Auftraggebern dieser beschämenden Art der Selbstverherrlichung. Die Problematik der ausführenden Hand … die Problematik der ausführenden Hand kann ja bis zu den Henkern nachverfolgt werden. Die zentrale politische Frage ist ja auch, woher kommt welcher Impuls. Bin ich Künstler, muss ich mich nur noch lange nicht mit den unsäglichen Kollegen solidarisieren die sich in den Dienst der Verherrlichung und Verewigung kolonialer Machträusche gestellt haben. Die Frage ist, wem gehört der öffentliche Raum? Wenn ich es als Lösung anbiete die Statuen in ein Museum zu verschieben, so ist das ein taktischer Schachzug, denn die weitere Frage ist dann, wie öffentlich sind Museen? Für mich ist es eine Art des kommunikativen Handelns wenn Statuen versenkt oder von ihrem Sockel gestoßen werden, etwas performatives. Ich würde sogar so weit gehen und diese Bewegung als friedlich bezeichnen. Das ist keine New Age Eigendefinition, das ist eine Beobachtung die ich gemacht habe.
Eine sogenannte quasi-Unterwerfung, unter das Diktat der Geschichte, das kann niemand wollen.

Im Sinne des aufwerfen von Fragen und nicht im Sinne des Lösung-finden habe ich Kommentare aus dem Standardforum zu einem Artikel kopiert der am 8. Juni 2020 erschienen ist. Der Artikel findet hier bewußt keine inhaltliche Erwähnung, vielmehr wird sein Inhalt aus den Kommentaren ersichtlich. Die Namen habe ich leicht verändert.

Dr. Stupsi 8.Juni 2020, 22.21
Für Vandalismus habe ich kein Verständnis. Sowas muss sich doch bitte zivilisiert klären lassen. Bei uns werden Straßen umbenannt oder mit Tafeln ergänzt, das ist auch in Ordnung und Ergebnis eines demokratischen Prozesses.

felicitaswagner1 vor drei Tagen
Schon interessant, dass hier Viele für Vandalismus Verständnis haben – da versteht man die Welt nicht mehr, aber die sind nicht ernst zu nehmen, so lange es nicht zu viele sind. Möchte wissen, was diese Vögel sagen würden, wenn bei einer Demo das eigene Auto angezündet würde – sicher SUPER war ja eine Demo in einer guten Sache

blacksquad1 9.Juni 2020, 8.54
danke
für den hinweis.
man könnte ja auch zivlisiert sprengen.

Sandale 8.Juni 2020 23.12
Naja, man muss sagen, der stand da nur rum und ließ sich von vögeln auf den kopf gacken.
Aber im ernst: sie wägen hier sklavenhandel und vandalismus gegen eine statue ab. Und sie kritisieren den vandalismus. Sind Sie wirklich zufrieden mit Ihrer moralischen Schwerpunktsetzung in dieser Diskussion?
Was wenn jemand Ihnen ein schlimmes verbrechen antut, und für ihn eine statue errichtet wird?

felicitaswagner1 vor drei Tagen
mit Ihrer Logik könnte man auch gleich den ganzen Louvre und Prado abfackeln, sind eben darin eine Unzahl von „Bösewichten“ auf Leinwand verewigt, nicht zu vergessen, auch das Haus der Kunst in München, von Adolf Hitler persönlich in Auftrag gegeben, dürfte Ihrem Gedankengut entsprechend von jedermann gesprengt werden – mit Gewaltakzeptanz oder -verherrlichung führt man sicher keine Diskussion

Sandale vor drei Tagen
Nö. Ich bin natürlich gegen vandalismus. Wie kommen sie auf etwas anderes? Aber die ehrung eines sklavenhändels ist mindestens geistiger vandalismus und zutiefst verachtenswert.

Tick Trick Track 8.Juni 2020
Unter dem Gesichtspunkt könnte man eigentlich auch das Hitlerhaus in Braunau
einfach abreissen.

Roberto vor drei Tagen
Gute Idee!

Sandale 8.Juni 2020 23.15
Naja eine Statue ist erstmal in jedem fall zur Huldigung der Person da. Ein Geburtshaus nicht oder?
Ich würde es eher mit einer Hitler-Statue vergleichen. Gabs aber meines Wissens nach keine. Also nehmen wir das Hakenkreuz auf dem Gelände der Nürnberger Reichsparteitage. Das wurde 1945 gesprengt. Vandalismus ihrer Meinung nach? Der Sturtz der Saddam Hussein statue 2003 ebenso? Der von Stalins und Lenins Statuen in Osteuropa nach der wende auch?

Lemmy 8.Juni 2020 12.32
Wenn wir alles politisch Unkorrekte aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart entfernen würden, ..
.. dann bliebe so gut wie nichts übrig. Anstatt unsere oft düstere Vergangenheit auslöschen zu versuchen, sollten wir ihre Mahnmale eher als erhobenen Zeigefinger erhalten und uns dazu bekennen, dass wir uns weiterentwickelt haben.

Dr. Steinbeißer 8.Juni 2020 10.57
Ich weiß nicht, ob an der Statue eine Tafel angebracht war oder nicht. Ich finde jedoch das Schleifen von Geschichte bedenklich. Ja, die Handlungen waren verwerflich. Man könnte dies aber durch eine Texttafel erklären und einordnen. Eine Statue muss nicht ausschließlich glorifizieren, sondern kann auch Mahnmal sein.

In einem Essay von der Autorin Herta Wolf bin ich auf ein Kapitel mit dem Titel „Das Denkmälerarchiv“ gestoßen. In diesem Kapitel wird beschrieben das in Frankreich unter dem Titel „Archives de la commission des monuments historiques“ ab 1840 ein Archiv von daguerreotypisierten Denkmälern zusammengestellt wurde. Die Erfindung der Fotografie machte es möglich. Aber vielleicht hat die frühe Fotografie die Erinnerungskultur auch so weit verändert, dass sogar Denkmäler unnötig geworden sind. Vielleicht sind Denkmäler unnötig geworden für die Grausamen dieser Welt? Die Erinnerungskultur verändert sich rasant und vielleicht noch rasanter als angenommen, weil die Gegenwart oft nur ein Blinder Fleck der Geschichte ist, … im selben Moment werden Denkmälern Denkmäler gesetzt. Die Geschichte reproduziert sich immer mehr. Von Fotos werden Fotos gemacht, … Einer schreibt von der Anderen ab. Die Bilder gehen um die Welt und graben ihre Furchen ins Gedächtnis der Menschen vor den Computern und Handys. Mehr oder weniger. Ob den BilderstürmerInnen klar ist was sie tun, dass sie möglicherweise belastendes Material verschwinden lassen, dass sie die Schuldigen indem sie sie aus der Öffentlichkeit zurückziehen von einem unbequemen Markel befreien. Ich würde sagen trotz der erhitzten Gemüter sind sich die Protestierenden in diesem Fall klar was sie tun. Ein Denkmal ist kein Pranger und es wäre schwierig die individuelle Deutungshoheit so weit zu stimulieren, dass das wirklich angenommen würde. Politisches Kalkül ist eine konservative Angelegenheit.

Unbeholfen wirken die meisten Kommentare im Standard Forum. Das hat seinen Grund. Der mitteleuropäische ob der Peinlichkeit Ausflüchte suchende Denkapparat schlägt erneut zu. Mann sollte die besagten Denkmäler nicht ihrer intendierten Bedeutung überlassen sondern sie einer Vielzahl von Interessen verfügbar machen oder einfach die Skulpturen in einen großen Mistkübel entsorgen … da ist doch etwas schief gelaufen.

 

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