Peter Schmiedel: „das beste am blau ist dass es das blau gibt: blau ist blau“ (PS 1993)

Die Galerie Kopriva erweckt seit einigen Jahren das Oeuvre des informellen Malers Peter Schmiedels (1929 – 1997) aus dem Dornröschen-Schlaf und positioniert ihn und sein Werk – seiner Qualität entsprechend – wieder in der öffentlichen Wahrnehmung. Peter Schmiedels malerisches Werk zeugt von einer Konsequenz in der Konzentration auf die Farben Blau, Rot und Gelb und einer technischen Experimentierfreudigkeit, die es mehr als Wert sind, als Betrachter einen genaueren Blick darauf zu werfen und in seine Bildwelt einzutauchen.

Peter Schmiedel wurde 1929 in Dresden geboren und besuchte dort bis zu deren Verbot die Waldorfschule. Nach seinem Abitur ging er 1950 an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin, da er aus politischen Gründen in der sich nach dem Krieg entwickelten DDR nicht studieren durfte. An der Hochschule in Berlin belegte er bei Alexander Camaro und Hans Uhlmann das Studienfach Malerei und wurde schließlich 1955 Meisterschüler von Letztgenanntem. Zwei Jahre später erhielt er das Reisestipendium des Senats für Volksbildung Berlin und bereits 1958 zeigte die renommierte Galerie Springer in Berlin eine Einzelausstellung seiner Werke.

1971 wurde er selbst als Lehrbeauftragter an die Hochschule für Bildende Künste Berlin berufen. Vier Jahre später fusionierte die Hochschule mit einer anderen und hieß nun „Hochschule der Künste Berlin“. Der Künstler erhielt dort die Professur im Fachbereich Visuelle Kommunikation, wo er Malerei und Grafik unterrichtete. 1994 wurde in seinem publizierten Katalog „Aquarelle“ vermerkt, dass er neben Berlin auch in Hall bei Admont lebte und arbeitete. Nachdem er viele Jahre lang die Sommermonate in Österreich verbracht hatte, erwarb er ein Haus in Hall bei Admont. Er übersiedelte nach seiner Pensionierung in die Obersteiermark, wo er bis zu seinem Tod 1997 seiner Leidenschaft – dem Malen – nachging.

Das Interesse an seinem Werk verflachte, blieb jedoch nie ganz aus der Öffentlichkeit verschwunden, denn gelegentlich tauchen Arbeiten in Kunstauktionen auf. In Österreich sind sechs Aquarelle – im Format je 78 x 100 cm – im Clubraum des Speisesaales des Bildungshauses St. Virgil in Salzburg präsent. Wie Wolfgang Richter in seinem Buch über St. Virgil berichtet, waren bereits davor Arbeiten des Künstlers ausgestellt gewesen und 1998 entschied sich der Beirat für einen Ankauf von sechs Aquarellen des Künstlersi.

Peter Schmiedel ist ein informeller Künstler, der sich in seinem Oeuvre konsequent auf die Grundfarben Rot, Gelb und Blau fokussierte. Gelegentlich ergibt sich ein Grün aus den Überlagerungen von Gelb und Blau oder – wenn auch äußerst selten – als Mischung auf den Bildträger gesetzt. Bemerkt man in seinen frühen Arbeiten ein Akzentuieren mit Schwarz, verschwindet dieses jedoch völlig in späteren Werken. Auch finden sich vereinzelt in seinen Frühwerken noch Mischungen in Violett oder Braun. Grundsätzlich gesprochen kann aber gesagt werden, dass auch wenn manchmal eine der Grundfarben dominiert und wiederum eine nur marginal eingesetzt ist, seine Palette von Rot, Blau und Gelb beherrscht war. Die unterschiedliche Intensität der Farbnuancen ist oft auch von der angewandten Technik abhängig. So arbeitete der Künstler in Mischtechniken auf Stoffen. Es finden sich sowohl Kunstharz, Acryl- als auch Temperafarben, die je nach Phase seines Schaffens, stärker deckend oder sehr lasierend aufgetragen wurden. Frühere Arbeiten weisen somit oftmals einen höheren Grad an deckender Farbe auf und man kann behaupten, dass der Künstler in seinen späteren Werken stärker lasierend wurde.

Überwiegend malte der Künstler übereinander reichende Flächen oder Pinselstriche, sodass die darunter liegende Farbschicht noch durchkam und ein Geflecht entstand. Damit wird eine Spannung und Tiefe aufgebaut, die dem Werk neben seinem farblichen Nuancenreichtum auch eine Plastizität gibt. Die neben- und übereinander aufgetragenen Farben steigern sich in ihrer Leuchtkraft und gerade der dünne Auftrag transportiert diese Wirkung ungemein.

Betrachtet man Peter Schmiedels Oeuvre so wird gewahr, dass neben seiner technischen Variation einzig das Aquarell eine Konstante bildete. Der deutsche Kunsthistoriker Eberhard Roters bemerkte auch, dass gerade zum 65. Geburtstag des Künstlers ein Buch erschienen ist, das sich damit auseinandersetzt. Denn seiner Meinung nach bildete diese Technik das „Kraftzentrum seines Werks“ und auch den Ursprung für sein weiteres bildnerisches Gestaltenii. Der Künstler selbst äußerte sich ebenfalls: „das wesen des aquarells ist nicht die schnelligkeit, aber die leichtfüßigkeit, die leichtflüssigkeit, das heitere fließenlassen als agens und gebärde. ein wenig lustigkeit, aber auch strenger satz, transparenz und ein rhythmus, der aus atmen, sehen und handbeweglichkeit hervorkommt.“iii

Diese Kriterien können auch auf sein weiteres Oeuvre angewendet werden: Obgleich es nicht immer die Charakteristik der Farbe – wie bei Acrylfarbe – zulässt, wird die höchstmögliche Transparenz erzielt. Durch dieses Durchscheinen der Farbe erreichte der Künstler eine Leichtigkeit und Lockerheit, die auch seine auf Stoff gebannten Malereien dem Aquarell verwandt erscheinen lassen. Bemerkbar wird auch, dass der Künstler seine Farbflecken und Farbstriche zu Beginn seiner Laufbahn grundsätzlich in viel kleineren Abständen setzte und später zu großzügigeren Farbflächen neigte, die oftmals Kanten und Ecken aufweisen.

Eine Besonderheit stellt auch die Verwendung unterschiedlichster Stoffe als malerischer Bildträger dar: Neben Leinwand verwendete der Künstler auch sehr dünne, durchscheinende und auch mit Muster gewebte Materialien. Gerade in diesen auf feinen Stoffen gemalten Arbeiten erhält die Malerei einen besonderen Akzent und eine Grundstruktur.

Peter Schmiedel gilt als informeller Künstler, der sich in seiner Gegenstandslosigkeit dem Wesen der Farbe verschrieb. Viele seiner Arbeiten bezeichnete er nur mit „Ohne Titel“. Manchmal jedoch titulierte er wie etwa „Bild“ oder „Farbenschmiede“. In seinem Buch „Aquarelle“ finden sich aber Bezeichnungen wie „Wolkige Formen“, „Lichtstreifen“, „So heiß – so kühl“ oder „Tanzende Farben“. Diese zeugen von unterschiedlichsten Annäherungen und Inspirationsquellen seines malerischen Schaffens wie etwa durch die Naturwiedergabe in Form von Wolken. Eberhard Roters analysierte: „Nur so viel: Seitdem Schmiedel im Sommer jährlich in der österreichischen Gebirgswelt verbringt, schlagen sich die Landschaftseindrücke auch in seinen Gemälden und Aquarellen nieder.“ Gerade in seiner letzten malerischen Phase sah Eberhard Roters im Aquarell „…das ist ein atmosphärischer Abglanz der Bergwelt.“iv

Der Künstler ließ somit dem Betrachter offen, seine eigenen Sinneseindrücke zu schärfen und seine Arbeit nicht nur ästhetisch zu erleben, sondern auch eigene Vorstellungen in die Bildwelten hinein zu interpretieren.

Peter Schmiedels Auseinandersetzung mit der Farbe beruhte auf Johann Wolfgang von Goethes „Zur Farbenlehre“ und dessen Erkenntnis über deren Wesen. Goethe erklärte das Phänomen der Farbe nicht nur physikalisch oder vom ästhetischen Standpunkt aus, sondern in seiner Gesamtheit erfassend. Sein Abschnitt „Physiologische Farben“ wird aufgrund seiner Studien zur Farbwahrnehmung anerkennend gesehenv. Eberhard Roters erörterte in seinem Textbeitrag: „… Farbe ist ein geistig-seelisches Sinnenphänomen, nichts anderes. Farbe macht die Welt schön; gäbe es die Farbe nicht, hätte die Welt ihre Freude verloren. Denn die Farbe wirkt nicht in erster Linie auf unseren Verstand, sondern auf unser Gemüt. Deshalb ist sie für den Verstand so schwer zu fassen….“vi Weiter unten im Beitrag in Bezug auf den Künstler: „.. Peter Schmiedel setzt sich seit Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit, mithin seit mehr als vierzig Jahren, mit dem Wesen der Farbe auseinander und hat es im Umgang damit zu wahrer Meisterschaft gebracht.“vii Der Künstler schrieb selbst 1993: „das beste am blau ist dass es das blau gibt: blau ist blau“viii und damit sprach er in knappen Worten aus, worum es in seiner Farbwahl geht. Eberhard Roters erläutert die Grundeinstellung des Künstlers: „Schmiedel geht es immer darum, die Schwerelosigkeit der Farbe als reines Phänomen zu erfassen, und dort, wo ihm das vollkommen gelingt, sind seine glücklichsten Momente Bild geworden.“ix

Der Künstler ist aufgrund seiner Konsequenz sich auf drei Grundfarben zu fokussieren und auch über Jahrzehnte daran festzuhalten, bemerkenswert. Aus österreichischer Sicht denkt man in Bezug auf die Konzentration auf Rot, Gelb und Blau sofort an den nur wenige Jahre jüngeren Roland Goeschl und sein Werk. Jedoch lag natürlich beiden Künstlern ein differenziertes, künstlerisches Konzept zu Grunde.

Peter Schmiedel ist aber derselbe Jahrgang wie etwa die österreichischen Vertreter der abstrakten Malerei: Josef Mikl und Wolfgang Hollegha. Doch die beiden Österreicher gehen vom Naturvorbild bzw. der menschlichen Figur in die Abstraktion und wie Mikl bemerkte: …Daher gibt es keine ausgedachten, keine wirklich gegenstandslosen Bilder. Ein Gegenstand macht das Bild erst sinnvoll…x Vielmehr denkt man an das Frühwerk und Spätwerk beider Schülerxi Gottfried Mairwöger, der sich ganz der Farbe als reine Ausdrucksform verschrieben hatte. Damit brachte er äußere und innere Wahrnehmungen in Form von Licht- und Farbeindrücken auf die Leinwand oder Papier. Beiden Künstlern ist eine teils sehr lasierende, teils sehr deckende Farbgebung eigen, die in seiner malerischen Vielfältigkeit und Tiefe beeindruckt. Jedoch ist zu betonen, dass nur Schmiedel sich in seiner Palette auf die Grundfarben beschränkte.

Peter Schmiedel ist als Künstler des Informel – seit 1952 bereits in Deutschland verankerte Kunstrichtung – in seiner Ausdruckskraft trotz seiner reduzierten Farbwahl sehr vielfältig und dynamisch und gerade die Arbeiten der späteren Jahre leuchten in satten Farbnuancen. Es ist bemerkenswert welch dichtes Werk er hinterlassen hat und es wäre wünschenswert, dass dieser Künstler und sein Werk in der Öffentlichkeit präsent bleiben.

Den Nachlass betreut Manfred Kopriva und seine Galerie Kopriva in Krems: www.kopriva-kunst.com

Fußnoten:

iWolfgang Richter, St. Virgil, Architektur und Kunst, Salzburg 2003, S 79 f.
iiEberhard Roters, Farbe als schwerelose Erscheinung, Peter Schmiedel zum 65. Geburtstag, in: Peter Schmiedel, Aquarelle, Arbeiten aus vier Jahrzehnten, Liezen 1994, o.Seitenangabe
iiiPeter Schmiedel, aquarell – die nasse farbe, in: Peter Schmiedel, Aquarelle, Arbeiten aus vier Jahrzehnten, Liezen 1994, o.Seitenangabe
ivEberhard Roters, ebenda.
vhttps://de.wikipedia.org/wiki/Farbenlehre_(Goethe), 5. Oktober 2017
viEberhard Roters, ebenda.
viiEberhard Roters, ebenda.
viiiPeter Schmiedel, ebenda.
ixEberhard Roters, ebenda.
xJosef Mikl in: Josef Mikl (Hrsg.), Monografie, Wien 1979, S 38
xiJosef Mikl unterrichtete zwischen 1969 und 1972 die Meisterklasse für Malerei, wechselte jedoch dann zur Meisterklasse für Naturstudien (Abendakt). Wolfgang Hollegha übernahm seine Meisterklasse für Malerei.

(Text: Gabriele Baumgartner)