Julia Dorninger: Narratives of urban space

Lange Zeit wurde Raum im Architekturdiskurs als eine unveränderliche Struktur betrachtet. Erst der französische Soziologe Henry Lefebvre erweiterte den Raumbegriff um eine soziale und eine geistige Komponente. Für Lefebvre stellt Raum ein gesellschaftliches Produkt dar, das durch Handlungen und soziale Interaktion erst erzeugt wird.

Mittels des Mediums der Zeichnung versuche ich, gemäß den Theorien Lefebvres die Komplexität bzw. Instabilität des Raumes, das Vorhandensein des Ephemeren, im Stadtraum nachzuweisen. Eine Definition über Handlungen im urbanen Raum kann die Stadt neu strukturieren und zu einem lebendigen dynamischen Körper werden lassen, der durch das Ephemere charakterisiert wird.

Seit über 2 Jahren erfasse ich die Wechselwirkungen von gebauter Struktur und menschlichen Handlungen im öffentlichen Raum. Die Skizzen der Alltagshandlungen im urbanen Raum, die ich nach meinen situationistischen Streifzügen durch den öffentlichen Raum erstelle, liefern mir einen Schlüssel zum Verständnis der architektonischen Intention sowie der gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge.

Die künstlerischen Arbeiten bilden auch die Grundlage zu neuen Ansätzen im Entwurfsprozess. Die mittels Zeichnung festgehaltenen Handlungen können als Initialhandlungen verstanden werden, die zum Ausgangspunkt von Handlungsfeldern werden, die neue Raumtypologien entstehen lassen. Ephemere Räume haben das Potential, neue Raumnutzungsmöglichkeiten zu generieren.

Meine Entwurfstheorien übertrage ich auch in andere Proportionen, indem diese über raumgreifende Installationen weitergedacht werden. Diese stehen an der Schnittstelle zwischen Modell und Realität.

Text: Julia Dorninger

 

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Julia Dorninger setzt sich in ihrem Projekt „Narratives of urban space“ mit der Fragestellung auseinander, auf welche Weise über soziale Prozesse und verschiedene Formen der Aneignung Raum neu strukturiert werden kann. In ihren Arbeiten untersucht sie das performative Element des öffentlichen Raums und hinterfragt dessen Auswirkungen auf die Konzeption von Architektur bzw. dessen Handlungsmacht. Hans Hollein hat in seinem Manifest von 1968 Architektur als Mittel der Konditionierung und Erweiterung der Sinne und damit als ein Medium verstanden. Hier stellt sich die Frage: Sind starr gebaute Strukturen das passende Medium? In Julia Dorningers Arbeiten wird Raum nicht als eine abgeschlossene Entität, sondern als fortwährender Prozess betrachtet, der von Handlungen und Bewegungen erzeugt wird und als ein kontinuierlich produzierter, nie abgeschlossener Raum, in dem Struktur situativ entwickelt und optimiert wird.

Text: Gabriele Baumgartner

Beitragsabbildungen: Ausstellung Urbane (De) Kodierungen, Foto Wien, 2019, sehsaal