Eva Gebetsroither: Die Ich-bin-nicht-ich-Gesellschaft (Text)

Kennt ihr noch das kleine Ich-bin-Ich? Von Mira Lobe und Susi Weigl, aus dem Kindergarten? Es ist weder ein Hase, noch eine Maus noch sonst ein Tier. Es hat sich auf die Suche gemacht, was es denn eigentlich sei. Was ist es denn nun?

Man kann es nicht einteilen, es gehört in keine Schublade und schaut von keinem Werbeplakat herunter. Man braucht auch nicht auszuschauen wie das kleine Ich-bin-Ich. Es verkauft dir keine Dinge, trägt keinen Lippenstift. Nur die Haare sind zu einem Knäul gebunden. Keiner sagt: „Du musst das kleine Ich-bin-Ich in Bikini sein und schnelle Autos fahren!“ Ja es trägt nicht mal eine Uhr. Doch am Ende kommt es zu dem Schluss, dass es einfach das kleine Ich-bin-Ich ist.

Als ich heute aufgestanden bin, ist mir wieder etwas in den Sinn gekommen: Ich bin auch gern das Ich-bin-Ich! Nein, nicht dieses kleine Stofftier. Das ich halt, wie es eben so aussieht. Es heißt wie ich, spricht wie ich, ja es schläft sogar wie ich und isst wie ich. So gern, dass es eben dann ausschaut wie ein großes Ich, aber es ist immer noch das Ich-bin-ich.

Dann hat das große Ich-bin-Ich Sachen gemacht, die es immer so macht: zusammengeräumt, sich fertig für die Reise gemacht, und seine Ich-Dinge,, die es besitzt zusammengesucht und sich zufrieden mit seinem Ich-Körper, und Ich-Hunger und mit seinem Ich-Gepäck zum Bahnhof begeben.

So zufrieden war das große Ich mit dem Ich aber nicht immer. So hatte es sich gestern auf die Waage gestellt und seit ca. 2 Woche kamen immer ein paar Gramm dazu. Ja das große Ich hatte zugenommen. Es hatte auch schon ein Fitnessstudio besucht. Der Muskelkater war prompt angesprungen. Ja was sollte es denn machen. Es wollte auch schön sein.

Das Ich-bin-Ich stand dann am Bahnhof und beobachtete die Leute:

Es hatten ihr einmal irgendwelche Menschen erzählt, das waren Ärzte, Leute aus den Medien oder Freunde aus ihrem Freundeskreis, dass es sportlich, dünner und hübscher werden sollte. Da hatte sich das Ich gefragt: „Wieso wollen die Anderen, dass ich nicht mehr so bin wie ich bin? Wieso sollte sie nicht mehr das Große-Ich-bin-Ich sein. Wieso sagten ihr andere, wie sie sein sollte?“ Das war ein Rätsel für das große Ich-bin-Ich.

Das Ich hatte eine andere Lösung parat, denn immer, wenn das Ich auf seine innere Stimme hörte, wurde alles gut.

Seit kurzem sah sich das große Ich-bin-Ich schöne Fotos an. Fotos von alten Menschen, die lachten. Von Kindern mit runden, pummeligen Gesichtern, die quietschvergnügt in die Kamera schielten. Das hatte das große Ich-bin-Ich wirklich gern. Da fühlte es sich pudelwohl.

Sie beschloss die Leute mit anderen Augen zu sehen. Sie beobachtete Vater und Sohn, die sehr liebevoll miteinander umgingen. Dann beobachtete sie ein junges Mädchen, das sehr unzufrieden zu sein schien, obwohl ihr Aussehen perfekt war. Da entdeckt das Ich andere Ichs, die so ähnlich aussahen wie das große Ich-bin-Ich.

Müssen wir alle so sein wie die Menschen in Zeitung, Fernsehen und Radio? Sie stieg in den Zug und dachte nach: das ist also die Ich-bin-nicht-ich-Gesellschaft? Alle sollen so sein wie die großen, schlanken Models? Schön! Aber das große Ich-bin-Ich war ja gerne das große Ich-bin-Ich!

Es versuchte zu lächeln oder zumindest die Menschen um sich lieb anzuschauen. So wie sie sich gerade fühlte, wohl, so wollte sie den anderen das Gleiche schenken. Sie wollte öfter ihr Herz aufmachen für die kleinen Dinge und für das Lachen in den Augen der andern. Denn das große Ich-bin-Ich lachte gerne. Und ein lächelnder Mensch ist doch das Schönste, das es gibt.